Hamburger Kita System
Hamburgs Kindergarten-System sei veraltet und ungerecht. Einige Eltern zahlten mehr, als ihr Einkommen zulasse. Andere hingegen fänden keinen Platz für ihr Kind. Dabei sei der Staat verpflichtet, Kindern zwischen 3 -6 Jahren, für täglich 3 Stunden einen Platz sicher zustellen. Hinzu kämen Statistiken, die uns verraten, dass die Kinderzahlen weiter sinken. Da Hamburgs Kassen leer seien, böte sich im ausserschulischen Erziehungsbereich ein weites Feld für Einsparungen. Soweit die SPD Hamburg.
Nun soll ein neues Konzept des SPD-Grünen Senats den finanziellen Streichungen einen sozialen Anstrich geben. Dieses soll 2002 in Kraft treten. Vorangetrieben wird es unter dem vielsagenden Namen "Kita-Card", mit der Etikette "für mehr Gerechtigkeit und bessere Kinderbetreuung". Vorerst geht es der SPD in Hamburg darum, Eltern und ErzieherInnen für sich einzuspannen. So werben sie bei den Eltern mit mehr "Nachfragemacht" gegenüber den Einrichtungen, sowie einer gerechteren Kostenverteilung. Wer weniger verdient, solle auch weniger zahlen. Den ErzieherInnen wird mehr Flexibilität schmackhaft gemacht.
Was aber bedeutet mehr "Nachfragemacht"?
Auch die ämter versprechen sich eine Entlastung - denn Eltern und Einrichtungen sollen Teile ihrer Aufgaben übernehmen. Bisher wurden die Plätze in Kinder-Tagesstätten (KiTa's) ganztägig vergeben. Konnten Eltern keinen Platz finden, bemühte sich die Behörde darum. So lag der gesamte Arbeitsaufwand bei der Behörde. Der Entwurf zur Kita-Card sieht nun vor, dass die Eltern sich selber um einen Platz in einer Einrichtung bemühen müssen. Die Behörde stellt künftig lediglich das Angebot zur Verfügung. Mit der erhaltenden 'Card' gehen sie zu einer Einrichtung ihrer Wahl, um alles weitere zu verhandeln. Die jeweilige Kita soll dann die weitere Verwaltungsarbeit übernehmen.
Bevor in Zukunft Eltern die Kita-Card erhalten, müssen sie sich allerdings mit dem Amt um die zu bewilligenden Stunde und Wochentage streiten. Dagegen war es bisher üblich, dass alle Kinder einen Anspruch auf eine Ganztages-Betreuung haben. Die Betreuungszeit soll künftig jedoch abhängig von der Arbeitszeit (plus An- u. Abfahrt) festgelegt werden. Dabei wird sie in 4, 6, oder 8 Stunden gestaffelt sein. Arbeiten beide Elternteile, verändert sie sich wieder. Im Hort- Bereich wird es nur noch 3-Stunden-Plätze geben, in Ausnahmefällen vier. Kinder von arbeitslosen Eltern erhalten dann nicht mehr - wie bisher - automatisch einen Ganztagsplatz.
Wie bisher werden die Eltern einen Anteil vom Pflegesatz zahlen, jedoch ändert sich dieser mit der Zahl der bewilligten Stunden. Per Gehaltstabellen wird das Jugendamt entscheiden, in welcher Höhe dieser Anteil liegt. Die entsprechenden Tabellen sind bereits bei den entsprechenden ämtern auf Nachfrage erhältlich.
Vergleicht man die noch gültigen Bestimmungen mit den neuen Kita-Card-Tabellen, zeigt sich, wer hier tatsächlich spart: Bekommt beispielsweise ein Kind künftig einen 3-Stunden Hortplatz bewilligt, wird eine NiedrigverdienerIn monatlich 5 DM sparen. Die Besserverdienenden hingegen sparen bei dem selben Platz 40 DM.
Unabhängig von der Einrichtungsart müssen dann genutzte Zeiten, die über die Bewilligung hinaus gehen, von den Eltern voll bezahlt werden.
Folgen für die Einrichtungen: Es wird den Einrichtungen bei gleicher Kinderzahl, aber unterschiedlich vergebenen Betreuungszeiten, Geld fehlen. Ausflüge, Ausstattungen etc., welche bisher über den Ganztages-Satz mitgetragen wurden, werden künftig nur mehr angeboten werden können, wenn die Eltern bereit und in der Lage sind, diese auch zu bezahlen. Insbesondere kleine Träger oder Einrichtungen müssen Einnahmeeinbußen durch Stellenabbau - oder durch größere Kindergruppen ausgleichen. Dabei arbeiten viele Kitas in Hamburg bereits jetzt an den Grenzen des Vertretbaren!
Hier stellt sich die Frage, ob die Kita-Card den SPD - Ansprüchen nach mehr "Nachfragemacht" und gerechterer Kostenverteilung genügen wird. Denn außer bei der Einrichtungssuche hat die Behörde nach wie vor das letzte Wort. Was auf den ersten Blick wie eine Abgabe von Macht erscheinen soll, ist bei genauerer Betrachtung nur ein Versuch, Verantwortung und Kosten abzugeben.
Wenn z.B. Eltern künftig aus Spargründen nur wenige Stunden beantragen, dann wird es eben deren Pech sein. Die Behörde ist dann aus dem Schneider, schließlich bot sie die Möglichkeit ja an, mehr Stunden - auf eigene Kosten - in Anspruch zunehmen. Wenn eine Einrichtung schließen muss, hat sie nach SPD-Meinung eben nicht effizient genug gewirtschaftet, sie hätte sich ja nach der Nachfrage ausrichten können.
Resumée - Sowohl bei den Eltern, als auch bei den Einrichtungen wird die Stadt künftig sparen, da weniger Anträge für Betreuungsgelder anfallen werden. Betroffen werden von der Kita-Card vor allem jene sein, die in den unteren Bereichen der Einkommensskala leben. Trotz vermeintlicher Ersparnis werden die Eltern mehr bezahlen müssen: wenn nämlich das Kind über die Grundversorgung hinaus am Kita-Leben teilnimmt. Mit dem Kozept der Kita-Card werden Kinder auf reine Kostenfaktoren reduziert - hin- und hergeschoben zwischen der Stadt Hamburg, den Eltern und den Einrichtungen. Modernisierung á la Rotgrün eben.
xy, Pädagoge